Laptops und Lehrer (01.09.2000)

  1. Bildungsministerin Edelgard Bulmahn will jede/n Schüler/in in Deutschland mit einem Laptop ausstatten;
  2. Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt will alle LehrerInnen dazu verpflichten, während ihrer Ferien Praktika in Wirtschaftsbetrieben zu absolvieren.

Beide Vorschläge verstellen, so vernünftig sie auf den ersten Blick erscheinen mögen, den Blick auf die Ursachen für die gegenwärtige Krise des deutschen Schulwesens, indem sie weiterhin auf zentral verordnete Reformen setzen. Bildungspolitischer Zentralismus ist ein Relikt aus einem Staatsverständnis, in welchem sich der Staat umfassende Kompetenzen in der Verwaltung des gesamten öffentlichen Lebens zuschrieb. Dieses Denken, das in allen anderen Bereichen des öffentlichen Lebens längst überwunden wurde, blockiert im Schulwesen seit Jahren alle wirklich tiefgreifenden Reformen. Schulen sind keine Behörden, sondern Stätten der Begegnung. Ein Schulwesen, das auf Verordnungen setzt, anstatt die freie Initiative zu fördern, ist strukturell nicht reformfähig.

Das Problem des deutschen Schulwesens sind nicht in erster Linie fehlende Computer, die ohnehin veraltet wären, bevor sie alle Schulen erreicht hätten. Die 82 Milliarden Mark, die zur Umsetzung dieses Vorhabens gebraucht werden, wären weitaus nachhaltiger eingesetzt, würden sie für den Umbau des deutschen Schulwesens zu einem innovativen, weil dezentral organisierten und wettbewerbsfähigen System genutzt.

Die Niederlande machen es uns seit 1917 vor: Seitdem in dem kleinen Land vor über 80 Jahren der sogenannte "Schulfrieden" vereinbart wurde, entwickelte sich ein Schulwesen, das nicht zentral gesteuert ist, sondern eine große Vielfalt unterschiedlicher pädagogischer Konzepte parallel anbietet. 75% aller Schulen arbeiten nicht in staatlicher, sondern in freier Trägerschaft, bekommen aber dieselben Zuschüsse wie die staatlichen Schulen. Dadurch gibt es einen sehr fruchtbaren Wettbewerb um die besten pädagogischen Konzepte - ein Wettbewerb, dem sich auch die staatlichen Schulen stellen müssen.

Es geht in der Pädagogik nur en passant um Laptops und um LehrerInnen, die wissen, wie es in der Industrie zugeht. Mag beides wichtig sein - den Reformstau in der Bildungspolitik löst es nicht auf. Viel wichtiger ist, das Schulwesen strukturell flexibel und lernfähig zu machen - durch konsequente Dezentralisierung und durch die gleichberechtigte Behandlung staatlicher und freier Schulen. Auf diese Weise würden notwendige Innovationen wesentlich schneller und effektiver "Schule machen".

Henning Kullak-Ublick