Bügel statt Bildung

Vor anderthalb Jahrhunderten (1864) verlor das Königreich Dänemark beim Deutsch-Dänischen Krieg einen bedeutenden Teil seines Territoriums. Der Krieg hatte das Land bis zum Äußersten strapaziert und es stand vor einer wirtschaftlichen Katastrophe. Wie reagierte König Christian IX.? Er verdoppelte die Bildungsausgaben und rechtfertigte dies vor seinem entsetzten Kabinett mit den Worten: "Arm sind wir schon! Wenn wir jetzt auch noch dumm werden, haben wir das Recht auf einen eigenen Staat verloren."

Was für ernste Worte! Wie man es viel "chilliger" machen kann, hat uns gerade unsere Schleswig-Holsteinische Landesregierung vorgeführt: Während nämlich den freien Schulen mit großem Bedauern mitgeteilt wurde, dass sie auch in den nächsten Jahren leider nicht mit einer Finanzierung rechnen könnten, die den tatsächlichen, an den staatlichen Schulen ermittelten, Schülerkosten entspricht, weil der Landeshaushalt keinerlei Spielraum dafür lasse, zeigte die Regierung an anderer Stelle, dass sie durchaus gewillt ist, Innovationen und Kreativität im Land zu fördern. Nur setzte sie eben die Prioritäten etwas anders, als es die Eltern und LehrerInnen der ca. 5000 Schülerinnen und Schüler der freien Schulen in ihrem egoistischen Wunsch, aus eigener Verantwortung Schule betreiben zu können, vielleicht getan hätten.

Nein, die Landesregierung blickte weiter: Es gilt, die Kunst zu fördern - dies aber gezielt! In Weiterentwicklung einer Idee des verstorbenen Joseph Beuys schwang sie sich zu der Erkenntnis auf: "Jede Flasche eine Künstlerin!" Aber auch diese Erkenntnis war durchaus nicht abstrakt, sondern ganz konkret gemeint: Eine Flasche erfüllt ihren Zweck nur, wenn sie geöffnet werden kann. Nun ist es einer der bedeutenden Beiträge Schleswig-Holsteins zur deutschen Kultur, dass der original Flensburger Bügelverschluss alle Wirrnisse der 68-er, der Globalisierung und des Flaschenpfandes unbeschadet überstanden hat. Sogar mein Sohn widmete der berühmten "Beugelboddelflasche" eine enthusiastische Email, als er sie während eines längeren Südamerikaaufenthaltes in einem peruanischen Supermarktregal entdeckte. Aber, so werden Sie sich fragen, was hat das mit der Weisheit unserer Regierung zu tun? Nun, sie befand völlig zu Recht, dass das berühmte "plopp" beim Öffnen einer Bügelflasche nicht mehr in zeitgemäßer Intonation erklingt. In den Zeiten des Hip-Hop, des Rap und der Weltmusik gilt es, einen frischen Sound zu generieren, der der kulturellen Bedeutung dieser Flaschen angemessen ist. Wie gesagt, jede Flasche soll eine Künstlerin sein! Daher soll im Haushalt zwar an den Zuschüssen für die freien Schulen gespart werden (was diese immer noch zu verhindern suchen), aber die doppelte Summe, nämlich 1,5 Millionen Euro, wurden der Flensburger Brauerei als Zuschuss für die Weiterentwicklung ihres Bügelverschlusses zugesagt.

Wir meinen: Das ist wirklich vorausschauend! Denken Sie sich nur, liebe Leserinnen und Leser, was geschehen würde, wenn wir unsere Bildung durch den freien Zugang zu den freien Schulen aufwerten würden! Es käme zum Wettbewerb um gute pädagogische Ideen, die Schulen würden sich viel schneller entwickeln als heute, vermutlich würde das Bildungsniveau insgesamt ansteigen! So ist es jedenfalls in den Ländern, die freie und staatliche Schulen gleichberechtigt finanzieren. Was aber würde das für den Bierkonsum bedeuten? Würde er am Ende zurückgehen?

Wie auch immer: Es ist allemal sinnvoller, in das akustische Erlebnis einer sich öffnenden Bierflasche zu intensivieren als in dieses ungewisse Etwas "Bildung". Wir danken der Landesregierung und schämen uns ein bisschen dafür, dass wir immer noch daran glauben, dass wir ein freies Schulwesen brauchen. Nachdem wir vor einigen Jahren von Nordrthein-Westphalen gelernt haben "Kinder statt Inder", lernen wir jetzt dazu: "Bügel statt Bildung". Mehr Innovation geht nicht.